Christian Dürr: E-Fuel-Anlagen in Afrika helfen dem Klima und schaffen Wertschöpfung dort

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab dem „Tagesspiegel“ (Montagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Valerie Höhne.

Christian Dürr MdB

Frage: Herr Dürr, Sie wollen Rücknahmeabkommen mit Herkunftsländern für abgelehnte Asylbewerber an Hilfen aus Deutschland für den Klimaschutz in diesen Ländern koppeln. Warum finden Sie das eine gute Idee?

Dürr: Deutschland muss endlich ein modernes Einwanderungsland werden. Das heißt: Einwanderung in den Arbeitsmarkt, aber nicht in die sozialen Sicherungssysteme! Und wir müssen Rückführungen machen. Keine Partei in Deutschland lehnt die Abschiebung von Straftätern ab. Deswegen brauchen wir Migrationsabkommen. Das gilt umgekehrt auch für diejenigen, die in den Arbeitsmarkt einwandern wollen. Wenn Menschen hierherkommen wollen, um zu arbeiten, dann sollten sie nicht über das Mittelmeer kommen müssen. Wir müssen mit den afrikanischen Ländern auf Augenhöhe sprechen, und sollten über neue Direktinvestitionen in Industriearbeitsplätze dort nachdenken, zum Beispiel für die Herstellung klimaneutraler synthetischer Kraftstoffe aus Sonnenenergie.

Frage: Viele Länder, die sich weigern, ihre Staatsbürger zurückzunehmen, bekommen von der Diaspora jedes Jahr viel Geld nach Hause geschickt. Welches Interesse sollten sie an diesen Abkommen haben?

Dürr: Wenn wir die Rückführungsabkommen an Investitionen in Industriearbeitsplätze koppeln, dann verstärken wir den Handel mit dem afrikanischen Kontinent. Wir brauchen dort eine Entwicklung Richtung Industrialisierung. Migrationsabkommen, um irreguläre Migration zu vermeiden, sind in unserem Interesse, hochwertige Arbeitsplätze in ihrem Interesse. Wir wollen klimaneutral werden. Dafür reicht es nicht, auf E-Autos umzusteigen, sondern wir brauchen synthetische Kraftstoffe.

Frage: Gerade bei Straftätern gibt es aber doch kein Interesse der Herkunftsländer, sie wieder aufzunehmen.

Dürr: Das muss Teil der Migrationsabkommen sein. Und nochmal: E-Fuel-Anlagen in Afrika helfen dem Klima und schaffen Wertschöpfung dort. Daran kann ich nichts Falsches finden.

Frage: Sie wollen synthetische Kraftstoffe dort herstellen lassen. Das wird von den Grünen oft kritisiert, weil Sie sich darauf konzentrieren wollen, statt auf Alternativen zum Verbrennermotor.

Dürr: Wir wollen die Klimaschutzziele erreichen. Dafür brauchen wir synthetische Kraftstoffe. Im Flugverkehr und in der Pkw-Flotte. Der große Vorteil afrikanischer Länder ist, dass es dort viel Sonnenenergie gibt, die zur Herstellung dieser Kraftstoffe genutzt werden kann. Der Kontinent ist geradezu dafür prädestiniert, hier Exporteur zu werden. Ich kann die Kritik daran nicht verstehen. Offen gestanden finde ich es scheinheilig, unser grünes Gewissen mit dem Bau von E-Autos zu beruhigen, in denen Kobalt aus dem Kongo steckt, der dort unter schlimmsten Bedingungen abgebaut wird.

Frage: Die Grünen sagen, Sie würden nur deutsche Interessen bedenken, in sozialen Medien wird Ihnen Zynismus vorgeworfen, weil Sie Rücknahmeabkommen und Investitionen in E-Fuels koppeln wollen.

Dürr: Ich finde es zynisch zu sagen, Afrika soll weiter Rohstofflieferant für die Herstellung deutscher Elektroautos sein. Statt aus Afrika Rohstoffe zu importieren, sollten wir industrielle Produkte von dort beziehen.

Frage: Sie halten die Kritik für überzogen.

Dürr: Wir haben irreguläre Migration übers Mittelmeer, wir sind nicht in der Lage straffällige Asylbewerber abzuschieben, gleichzeitig ist die Lage in den afrikanischen Ländern prekär. Zu sagen, dort soll alles bleiben, wie es ist, verbessert die Situation der Menschen dort nicht und ist auch nicht im Interesse des Klimaschutzes. Ein Weiter-So darf es nicht geben. Das, was einige Grüne hier vertreten, ist eine Fortsetzung dessen, was die Union 16 Jahre lang gemacht hat. Eine vollkommen verkorkste Migrationspolitik.

Frage: Zuletzt sind Berichten zufolge wieder Kinder im Mittelmeer bei der gefährlichen Überfahrt ertrunken. Einige EU-Staaten fordern trotzdem noch mehr Abschottung, noch mehr Grenzzäune und Stacheldraht. Wie sehen Sie das?

Dürr: Die Route übers Mittelmeer ist menschenunwürdig und lebensgefährlich. Die Bilder von dort erschrecken uns alle. Natürlich müssen wir irreguläre Migration bekämpfen. Aber wir müssen Migrationspolitik auch menschlicher gestalten, schon aus eigenem Interesse, weil wir Arbeitsmigration brauchen. Um das zu schaffen, hat die Bundesregierung Joachim Stamp als Sonderbevollmächtigten für Migrationsabkommen eingesetzt.

Frage: Joachim Stamp, der wie Sie der FDP angehört, hat vorgeschlagen, Asylverfahren auf dem afrikanischen Kontinent durchzuführen. Sie finden das gut, warum denn?

Dürr: Das ist eine sehr kluge Idee. Das Ziel muss sein, dass Menschen sich gar nicht erst in die Boote setzen und so ihr Leben riskieren.

Frage: Menschen, die es trotzdem wagen, würden dann also direkt zurückgebracht, und würden von dort Asyl in Deutschland beantragen?

Dürr: Im Moment sterben Menschen auf dem Mittelmeer. Das ist unerträglich. Deswegen könnten diese Verfahren in Zukunft dort am Festland stattfinden. Die Möglichkeit der regulären Migration nach Deutschland muss gestärkt werden. Frühere Bundesregierungen haben schlicht weggeschaut.